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Dorothee M. Goeze

Kristjan Jaak Peterson zum 200. Todestag: „Auf den Tod meiner Freundin A.S. Clark“

ABO – ARCHIVALIA BALTICA ONLINE 1. AUSGABE (FEBRUAR 2022)


Titel des Gelegenheitsgedichts von Kristjan Jaak Peterson
Titelblatt des Gelegenheitsgedichtes Petersons: „Auf den Tod meiner Freundin A. S. Clark, ihr von Marie Keusch gewidmet“, Riga 1822 (CSA 140 Baltikum 08)

Kristjan Jaak Peterson gilt, so die Internetplattform Wikipedia, „als einer der Begründer der estnischen nationalen Literatur und der modernen estnischen Poesie“. Er wurde am 14. März 1801 in Riga geboren und ist auch dort am 4. August 1822 (jeweils neuen Stils) gestorben. Er besuchte in seiner Geburtsstadt das Kaiserliche Lyzeum (Gouvernementsgymnasium) und ab Januar 1819 die Universität – nach der späterhin viel erwähnten Wanderung von Riga nach Dorpat.

Da er nur 21 Jahre und vier Monate alt wurde, konnte sein literarisches Werk im Vergleich zu anderen Schriftstellern nur gering an Umfang sein, was aber nichts über seine Bedeutung für die estnische Nationalbewegung sagt. Von ihm sind 23 Gedichte in estnischer Sprache bekannt. Drei seiner Dichtungen in deutscher Sprache erschienen ein Jahr nach seinem Tod in der „Zeitung für die elegante Welt“ (Leipzig).


Peterson gehörte mit Friedrich Robert Faehlmann (1798-1850) und Friedrich Reinhold Kreutzwald (1803-1882) einer Generation an. Es war jene Generation, die von Geburt Esten waren, sich dieser Herkunft auch bewusst waren und blieben und weiterhin Estnisch sprachen und schrieben, die aber das Deutsche als Kommunikations- und Literatursprache im Alltag, in privaten und öffentlichen, erst recht in publizistischen, wissenschaftlichen sowie künstlerischen Zusammenhängen in glänzender Weise benutzten. Estnische und deutsche Texte stehen bei ihnen also wie selbstverständlich nebeneinander. Peterson ist ein besonders gutes Beispiel für dieses Phänomen.


„Auf den Tod meiner Freundin A.S. Clark, ihr von Marie Keusch gewidmet“: Eine bisher vermisste Gelegenheitsdichtung Kristjan Jaak Petersons

Angesichts der zahlenmäßig relativ wenigen dichterischen Werke Petersons kommt jedem von ihnen größere Bedeutung zu als im Falle anderer Autoren, die auf ein langes Leben und ein umfangreiches Oeuvre zurückblicken können. Es bezeichnete daher eine schmerzliche Lücke, dass ein Gelegenheitsgedicht Petersons in deutscher Sprache zwar seinem Titel nach seit langer Zeit bekannt, als Text jedoch bisher nicht verfügbar war: „Auf den Tod meiner Freundin A. S. Clark, ihr von Marie Keusch gewidmet“, Riga 1822.


Den jüngsten Hinweis auf dieses Gelegenheitsgedicht Petersons findet man im estnischen Online-Katalog ESTER, wo es heißt, dass der Druck in ESTER-angeschlossenen Bibliotheken nicht nachgewiesen sei.


Der Text dieses bisher vermissten deutschen Gedichtes von Peterson konnte 2020 in einem Sammelband von Gelegenheitsdichtungen aus Riga wiederentdeckt werden, der sich im Archiv der Carl-Schirren-Gesellschaft in Lüneburg befindet und der ursprünglich zu den Sammlungen der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde in Riga gehörte.


Nur bei sehr wenigen hier zusammengebundenen Drucken ist der Verfasser bzw. Dichter bereits in die gedruckte Fassung aufgenommen. Die Mehrheit der vorhandenen Verfassernamen ist später handschriftlich hinzugefügt, so auch im Falle des Werkes von Peterson. Es handelt sich um ein Trauergedicht aus dem Jahre 1822:


Auf / den Tod meiner Freundin / A. S. Clark, / Ihr / von Marie Keusch / gewidmet. / [handschriftl.: Verf. Christian Jaak Petersohn, Literat] / Riga, 1822. / Gedruckt bei J. C. D. Müller. (Sign.: CSA 140 Baltikum 8, Sammelband II, Druck Nr. 96).


Auftraggeberin der Dichtung und die zu ehrende Verstorbene

Wie das Titelblatt der Dichtung ausweist, hat Kristjan Jaak Peterson diese Dichtung 1822 in Riga verfasst – vier Monate vor seinem eigenen Tod. Dies geschah im Auftrag von Marie Keusch (1773-1840) im Andenken an ihre verstorbene Freundin A[nna] S[ophia] Clark (1773-1822).


Möge der lange verschollene Text einer seiner deutschen Dichtungen gerade auch zu seinem 200. Todestag die ihm gebührende Aufmerksamkeit finden.


Dorothee M. Goeze


Literaturhinweise

SCHOLZ, FRIEDRICH: Die Literaturen des Baltikums. Ihre Entstehung und Entwicklung. Opladen 1990 (Abhandlungen d. Rhein.-Westfälischen Akad. d. Wiss., Bd. 80), S. 221-225.


HASSELBLATT, CORNELIUS: Geschichte der estnischen Literatur. Berlin u. New York 2006, S. 190-202.


LUKAS, LIINA u.a. (Hrsg.): Literatur in baltischen Bezügen: Jakob Michael Reinhold Lenz und Kristian Jaak Peterson. Riga 2006 (Universität Lettlands / Balt. Germanist. Zentrum).


GOTTZMANN CAROLA L. u. PETRA HÖRNER: Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburgs. Berlin und New York 2007, Bd. 3, S. 1015-1017.


WÖRSTER, PETER: Aus Riga, aus Mitau, aus St. Petersburg. 240 Gelegenheitsgedichte aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Deutsch-baltisches Jahrbuch, Bd. 68 (2020), S. 112-121, hier S. 117.


Die Verf.in dieser ABO-Ausgabe bereitet einen ausführlichen Beitrag über dieses Gelegenheitsgedicht vor, der noch in diesem Peterson-Gedenkjahr erscheinen soll.









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