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31. Baltisches Seminar




Vom 24. bis 26. November 2023 fand das 31. Baltische Seminar der Carl-Schirren-Gesellschaft in Lüneburg statt. Es ging um das Thema „Das Baltikum als Bildungslandschaft: Volksbildung und Schulbildung“.

 

Egils Levits, der langjährige lettische Staatspräsident, übersandte ein Grußwort, in dem er die über Jahrzehnte anhaltende Bedeutung der Carl-Schirren-Gesellschaft zur Identitätswahrung der Deutschbalten, aber auch zum Brückenbau zwischen Deutschen und baltischen Völkern hervorhob.

 

Das Thema des diesjährigen Seminars ist in Verbindung mit dem 2021 begonnenen Archivprojekt der CSG zu sehen. Mit diesem soll das gesammelte Schriftgut im Brömsehaus nach den im Archivwesen geltenden Standards bearbeitet und der Forschung recherchierbar gemacht werden. Im Laufe der bisherigen Projektarbeiten ergab sich, dass ein bedeutender Teil des Archivguts Bezug auf das baltische Schulwesen hat. So entstand die Idee, das diesjährige Seminar unter das Rahmenthema „Volksbildung und Schulbildung“ zu stellen mit Konzentration auf die Zeit vom ausgehenden 18. bis zur zweiten Hälfte des 20. Jhs. Zahlreiche Aspekte mussten der Kürze der Zeit wegen unberücksichtigt bleiben. Einige werden durch Beiträge in den in Vorbereitung befindlichen Sammelband aufgenommen.

 

Das diesjährige 31. Baltische Seminar sollte anhand ausgewählter bekannter und weniger bekannter Beispiele baltische Bildungsgeschichte vorstellen und damit weitere Forschungsfragen und Forschungsmöglichkeiten in den Blick nehmen. Dem dienten auch der einleitende Vortrag von Dorothee M. Goeze und Peter Wörster „Das Carl-Schirren-Archiv und seine Bestände zu baltischer Schulgeschichte“ und die Archivalienausstellung.



 

Danach referierte Peter Wörster über die „Vornehmste Landesschule: Das Kaiserliche Lyzeum in Riga“, das zwar punktuell vielfach in der Literatur auftaucht, aber bislang keine zusammenfassende Darstellung gefunden hat. Mit der „herrnhutischen Lehrerausbildung in Wolmar“ beschäftigte sich Beata Paškevica (Riga). Sie stellte anhand dieses Beispiels die Bedeutung der Herrnhuter für die Volksbildung heraus. Die Bemühungen der Ritterschaften um Volks- und Schulbildung erörterten Vija Daukšte (Riga) und Gesine Schwarz (Wolfenbüttel). Während Daukšte mit statistischen Angaben eindrucksvoll belegen konnte, um wieviel höher der Bildungsgrad auch bäuerlicher Schichten im Baltikum gegenüber dem Gesamtdurchschnitt im Russischen Reich war, erläuterte Schwarz die ritterschaftliche Politik am Beispiel des Landesgymnasiums in Birkenruh (unweit der Stadt Wenden). Reet Bender und Sven Lepa (beide Dorpat) behandelten Aspekte der Geschichte deutscher Schulen in Dorpat in der Zwischenkriegszeit. Mit ihren jeweiligen Themen haben beide Neuland erschlossen und damit Beispiele gegeben, wie lohnend weitere Forschungen sein können. Bender sprach über die „Deutschen Schulen in Dorpat im 20. Jh. – Schulerlebnisse aus Umbruchzeiten“, Lepa über die Bedeutung von „Schularchiven als Quellen zum Schreibunterricht deutscher Schulen Tartus/Dorpats in der Zwischenkriegszeit“.

 

Das Seminar widmete sich danach zwei Sonderfällen baltischer Bildungsgeschichte, die im Rahmen baltischer Schulgeschichte bislang noch nicht behandelt wurden: einmal die nach dem Ersten Weltkrieg in Misdroy (Pommern) gegründete Baltenschule mit angeschlossenem Internat, welche nach dem Zweiten Weltkrieg in Wyk auf Föhr und teilweise in Hemmelmark bei Eckernförde fortgesetzt wurde, zum anderen das Lettische Gymnasium in Münster. Im Falle von Misdroy und Wyk standen zunächst die Bildungsinteressen aus dem Baltikum stammender deutscher Familien im Vordergrund, später kamen auch Schüler aus anderen Bevölkerungskreisen hinzu. Darüber handelte der Vortrag von Friedrich Adolph v. Dellingshausen (Bonn) „Die Baltenschule und das Ostseeinternat Misdroy 1919-1945 – ein Angebot für die deutschbaltischen Flüchtlingskinder mit Auswirkungen bis zur zweiten Hälfte des 20. Jhs.“. Per Zoom zugeschaltet war als Diskutant der auch um die Erforschung von Misdroy hochverdiente Gert v. Pistohlkors (Göttingen), der zudem selbst Schule und Internat in Wyk besucht hatte. Seine persönlichen Erinnerungen in Verbindung mit wissenschaftlicher Reflexion haben sehr zum Verständnis der damaligen Gegebenheiten beigetragen und auch für weitere Arbeiten viel Berücksichtigenswertes zu Protokoll gegeben.

 

Das Lettische Gymnasium in Münster hatte die Aufgabe, höhere Schulbildung im Exil den Kindern geflohener lettischer Familien zu vermitteln, solange diese wegen der anhaltenden sowjetischen Annexion nicht in die Heimat zurückkehren konnten. Diesem Thema widmete sich Arnis Drille (Münster), der einer der letzten Schüler des Gymnasiums war, bevor dieses vor 25 Jahren seine Tore schließen musste. Diesem Gymnasium war auch der spätere lettische Staatspräsident Egils Levits sowohl als Schüler wie danach als Lehrer eng verbunden.

 

Fazit: Neben 10 Referentinnen und Referenten nahmen über 20 Personen in Präsenz und ca. 10 per Zoom am Seminar teil. Das 31. Baltische Seminar hat die mit ihm verknüpften Hoffnungen erfüllt und wird in diesem Sinne weiterwirken. Dazu wird auch der geplante Tagungsband beitragen.



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